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Der Spielmannszug des Orts- und Kulturkartells Bickenbach (OKK)

Der erste Vorsitzende und Mitgründer des OKK, Adolf Weidmann, und Sophie Blum (Ehefrau des damaligen Bürgermeister s Georg Blum) haben den Gedanken einer Wiederbelebung des Spielmannszuges ins Auge gefasst. Im Jahre 1951 wurde der Spielmannszug wieder aufgestellt und unterstand direkt dem neugegründeten Orts- und Kulturkartell (OKK). Der erste Auftritt erfolgte anlässlich des Bickenbacher Volksfestes im Festzelt neben dem Sportplatz. Heinrich Gärtner jun. war damals dabei und erinnert sich:

„Nachdem die Not der ersten Nachkriegsjahre überwunden war, regte sich auch in der Bevölkerung wieder der Sinn für Muse. So gab es auch in Bickenbach viele Anhänger der Musik, die zur Gründung eines Spielmannszuges bereit waren. Zu ihnen gehörten besonders Georg Bormuth, Georg Billing, Franz Ritz, Franz Schuch und Heinrich Gärtner. Die erste Versammlung war im Gemeinschaftsraum der Schule in der Steingasse unter der Anwesenheit von Bürgermeister Georg Blum. Die erste Ausstattung des Zuges beschränkte sich zunächst auf Pfeifen und Trommeln, die von der Gemeinde gestellt wurden. Durch die Umstände der Zeit mussten sich einige Trommler vorübergehend mit Holzscheiben begnügen. Erst später kamen eine große Trommel und eine Lyra dazu. Der Übungsbetrieb war in der Schule am Marktplatz. Nur wenige Mitglieder waren des Notenlesens fähig. Für die anderen wurde durch eine so genannte Grifftabelle der Fingersatz unter die einzelnen Noten geschrieben. Im Übrigen mussten die Märsche auswendig gelernt werden. In der folgenden Zeit übernahm Georg Mink die technische Leitung und Stabführung. Die ersten Märsche waren die Lieder „Preußens Gloria“, „Hoch Heidecksburg“ und „Groß Berlin“.

Heinrich Gärtner sen. hat viel für den Wiederaufbau des Spielmannszuges geleistet. Er hat die Pfeifer ausgebildet. Die Proben wurden zuhause abgehalten, denn Übungsräume standen nicht zur Verfügung. Im ersten Jahr der Wiedergründung waren Heinrich Gärtner und Georg Bormuth die Stabführer. Kurze Zeit später übernahm Georg Mink die Leitung des Spielmannszuges. Die Einzelausbildung fand bei den jeweiligen Ausbildern zuhause statt. Die Gesamtproben wurden in Schulsälen oder anderen geeigneten Räumlichkeiten, die gerade frei waren, abgehalten. In dem neuen Jugendheim am Sportplatz fand der Spielmannszug 1956 seine vorläufige Bleibe. Zu den Pfeifern und Trommlern wurden Ende der 50er Jahre Fanfaren und große Landsknechtstrommeln eingesetzt. Man nannte sich dann Spielmanns- und Fanfarenzug. Im Jahre 1959 wurde Erich Ganzert Stabführer des inzwischen auf 39 Mann angewachsenen Spielmanns- und Fanfarenzuges. 1960 beteiligten sich die Spielleute an einem Musikwettstreit in Gießen-Lahn. Der Spielmannszug errang den 3. Platz in der Gesamtwertung. Für die Leistung des Stabführers Erich Ganzert gab es den 2. Platz. Besonderes Ereignis im Jahre 1964 war der Auftritt beim Besuch des damaligen Regierenden Bürgermeisters von Berlin und des späteren Bundeskanzlers, Willy Brandt, dem in Bickenbach auf dem Marktplatz ein herzlicher Empfang bereitet wurde.

Im Jahr 1965 wurde von viel „Lob für Bickenbachs Spielleute“ berichtet. Die Zufriedenheit und die Gunst für den Spielmanns- und Fanfarenzug wurde von dem Obmann Hans Emmerich (Verbindungsmann zwischen Spielmannszug und OKK) zum Ausdruck gebracht. Die Spielleute haben damals mit ihrem Stabführer Erich Ganzert in Bickenbach und Umgebung einen guten Eindruck hinterlassen. Besonders erwähnt wurde Georg Ganzert (der Vater von Erich), der „ mit über 50 Jahren neben Zehnjährigen seinen Mann beispielhaft gestanden hat.“

Als der Spielmannszug bis auf 9 Mann abgesunken war übernahm Georg Mink 1966 die Führung und schaffte den in den zurückliegenden Jahren versäumten Anschluss an die gewandelte Spielmannsmusik durch die Ergänzung mit Blasmusikinstrumenten (Trompeten und Saxophon). In kurzer Zeit stellten sich Erfolge ein. Mit jungen Spielern und mit neuen Instrumenten wurde eine erfreuliche Entwicklung eingeleitet. Dafür musste viel Geld investiert werden. Es gab viele Spenden für Instrumente aus der Bevölkerung. Hauptsponsoren waren die Firma Flach und die Firma Dietrich. Der Spielmannszug war beliebt und spielte bei vielen feierlichen Anlässen. Georg Mink hatte erkannt, dass die Zukunft des Vereins im Nachwuchs liegt und hat die Jugendarbeit forciert. Sein Ziel war ein Schülerspielmannszug. Die Einzelausbildung wurde zuhause durchgeführt. Die Pfeifer wurden bei Georg Mink, die Trommler bei Hans Wiegand ausgebildet. Einige „Pfeiferlehrlinge“ können von einigen Übungsstunden bei Georg Mink berichten. Während Georg Mink draußen die Gartenarbeit erledigte, probten die Schüler in der Wohnung bei offenem Fenster; falsche Töne wurden durch Zurufe korrigiert. Seine Frau Susanne servierte den Buben Getränke. Georg Mink hat sich für die Ausbildung viel Mühe gegeben und viel Freizeit dafür geopfert. Oft hat er nach Feierabend bis spät nachts die Noten speziell für den Spielmannszug arrangiert und hat sogar die Griffzahlen über die Noten geschrieben, damit es die Spielleute leichter hatten. Das musikalische Repertoire bestand hauptsächlich aus Märschen, geeignet für Festumzüge auf der Straße: Laridah-Marsch, „Mit Sang und Klang“, „Koburger Marsch“, „Dragoner Marsch“, „Die kleine Garde“, „Kyffhäuser Turner-Marsch“, „Liebesbotenmarsch“, „Kaiser-Marsch“ und andere. Mit den neuen Instrumenten war aus dem Spielmanns- und Fanfarenzug ein Spielmanns- und Musikzug geworden.

Im Jahre 1969 wurde das erste große Jubiläum gefeiert: „50 Jahre Spielmanns- und Musikzug Bickenbach“. Die Feier fand im Bürgerhaus statt. Viele Ehrengäste waren gekommen, ebenso viele Ehemalige und „Veteranen“. Der damalige Bürgermeister Karl Schemel sagte in seiner Laudatio: „ Solange der Spielmannszug lebt und aktiv ist, geht hier am Landbach die Sonne nicht unter“. In der Begrüßungsansprache des OKK-Vorsitzenden Wolfgang Richter gab es viel Lob für den Spielmannszug. Besonders wurde die seit wenigen Jahren bestehende Jugend- und Schülerabteilung erwähnt. Großes Lob gab es auch für Stabführer Georg Mink, „den Motor des Spielmanns- und Musikzuges und ‚Karajan von Bickenbach'.“ In einem Ausblick auf das Jahr 2019 wurde die Befürchtung geäußert, „dass zum hundertjährigen Bestehen dann wohl Roboter bei den Sandhasen aufmarschieren werden, unter den Klängen elektronischer Musik“. Landrat Gustav Krämer würdigte ebenfalls die Leistungen des Spielmannszuges und lobte den großen Nachwuchs und sagte: „Hoffen wir, dass wir in 50 Jahren keine Roboter, sondern weiterhin echte Musiker auf unseren Straßen sehen.“ Besonders geehrt wurden die Mitgründer, Philipp Pühler, Adolf Weidmann und Sophie Blum. Der 10-jährige Dieter Wolf sprach den Prolog. Der Höhepunkt der Feier war der Auftritt von zwölf „Veteranen“ unter der Leitung von Wilhelm Ganzert mit den Märschen „Groß-Berlin“ und „Sturmlied der Freien Turner“. Die Musikabteilung spielte den „Kadettenmarsch“, die „Fuchsgraben-polka“ und den „Schneewalzer“. Die Schülerabteilung spielte das Volkslied „In die weite Welt“. Auch vom Darmstädter Echo gab es großes Lob: „Hervorragend war die Vielseitigkeit der Leistungen, da doch die eigentliche Blasmusik beim OKK noch ein ganz junges Kind der großen Musikerfamilie ist. Ein Western-Potpourri als „Gruß aus Amerika“ von Heinz Egidus wurde mit einem hier fast nie erlebten Applaus aufgenommen, ebenso eine Schlagerparade im Marschrhythmus. Und dass dann gar noch der Foxtrott ‚Ich werde jede Nacht von Ihnen träumen' erklang, wussten alle, was dieser Musikzug bereits erlernt hat. Bickenbachs Jugend aber pflegt noch lieber das Spiel der Trommeln und Pfeifen. Der Schüler-Spielmannszug hat keine Sorgen um geeigneten Nachwuchs. Sein Marsch ‚In die weite Welt' (R.G. Gnauck) zeigte, dass es Stabführer Georg Mink gelungen ist, auch als ‚Nichtjugendlicher' diese Jungen voll für das Spiel zu begeistern.“

Das Jubiläumsjahr 1969 war für den Spielmannszug auch das Ende einer Epoche. Die Auflösung des OKK stand kurz bevor, und der Stabführer Georg Mink gab aus Altersgründen die Leitung des Spielmannszuges ab.